Uganda 2019

Teilnehmer:

  • Christina und Peter Schmieg
  • Ulla und Hans-Gerd Meerpohl

Unser letzter Besuch in SALEM liegt knapp 12 Monate zurück (Januar 2018) und so ist vor der Abreise die Freude groß, erneut viele Freunde und bekannte Gesichter zu treffen und vor allem um zu sehen, welche Fortschritte in SALEM in der Zwischenzeit erreicht werden konnten. Wir haben diesmal die Flugroute über Basel und Amsterdam nach Entebbe gewählt. Auch wenn der Zwischenstopp in Kigali den Flug in die Länge zieht, war die Reise dennoch angenehm. Es ist schon nach 22:00 Uhr Ortszeit als wir vor der Arrival-Hall am Flughafen in Entebbe unseren Fahrer ausfindig machen, der uns mit seinem altersschwachen Van für die erste Übernachtung in das ca. 15km entfernte Banana-Village Resort bringt. Nach einem obligaten „Nile“ fallen wir todmüde in unsere Betten. Am Morgen treffen wir auf Muhammad, unseren bewährten Fahrer aus Salem. Er hat seinen Pickup bereits mit einem Metallschrank (Spind) und anderen Einkäufen beladen. Für unser zahlreiches Gepäck findet sich aber - trotz anfänglicher Zweifel – dennoch hinreichend Platz, auch wenn es dabei „hoch hinaus“ geht..

Wir fragen uns einen Moment: wie weit würden wir auf deutschen Straßen mit einem so beladenden Fahrzeug wohl kommen? In Uganda schaffen wir die knapp 300 km nach SALEM in weniger als 7 Stunden ohne ernstes Problem und ohne Einschreiten der Verkehrskontrollen, auch wenn –bei zwischenzeitlich beträchtlicher Schräglage des Spinds - die Seilverspannung mehrmals nach gezurrt werden muss. Kein Zweifel, wir sind in Afrika angekommen.

Die zweite Überraschung an diesem Morgen: der endlich fertiggestellte Express-Highway von Entebbe nach Kigali. Ein echter Fortschritt in der Verkehrsplanung für dieses Land und für uns eine spürbare Verkürzung der Reisezeit bis Mbale. Die Ost-Umfahrung von Kigali ist auch in Teilen bereits erkennbar und- die Ortskundigen wissen es- es fehlt jetzt noch der völlig überlastete und daher gefürchtete Straßen- abschnitt von Kampala über Mukono nach Jinja. Ob wir das noch erleben werden? Man muss leider Zweifel haben.


Die Begrüßung in SALEM ist, wie immer, überaus herzlich. Die Wiedersehensfreude auf beiden Seiten groß. In SALEM ist die Zuversicht zurückgekehrt. Man spürt es vom ersten Moment an. Der über lange Zeit schwer erkrankte Manager, Denis Medeye, ist zurück und hat fast schon wieder seine alte Leistungsfähigkeit erreicht. Eine wunderbare Nachricht.

Bei einem ersten Rundgang inspizieren wir zunächst das Schulgelände. Durch die tatkräftige finanzielle Unterstützung von „Lebenszeichen „Afrika“ konnte im vergangenen Jahr auf dem Schul-Campus ein weiteres Gebäude mit zwei

Klassenräumen für die derzeit ca. 150 Studentinnen der Nursing School fertiggestellt werden.

Wir sehen nur das „Große und Ganze“ und sparen nicht mit Lob für die Planung und Ausführung. Peter Schmieg, der Spiritus Rector und Experte, sieht mit scharfem Auge dann doch einige bauliche Mängel, die korrigiert werden sollten. Termine für Baubesprechungen mit den Handwerkern werden für die nächsten Tage vereinbart. Wir sind uns aber alle darüber einig, dass hier in den letzten 8 Jahren ein wunderbarer Schul-Campus entstanden ist, der optimale Voraussetzungen dafür schafft, qualifizierte Schwestern und Hebammen, die in diesem Land so dringend benötigt werden, auszubilden. Die Vorbereitungen der Schulleitung für ein Upgrade der Schule auf das sogenannte „Diploma-Level“ sind angelaufen. Man darf optimistisch sein, dass der Schule bei Zeiten die staatliche Lizenz für diesen wichtigen Qualifizierungsschritt erteilt werden wird.

Wir besichtigen die Schulküche, wo derzeit auf einer (!) Feuerstelle für ca. 150 Schülerinnen täglich eine warme Mahlzeit zubereiten werden muss. Hier muss dringend eine Verbesserung her. Die Planung eines Neubau der Schulküche wird in die Finanz-und Projektplanung für 2019 aufgenommen.

Das von SALEM Brotherhood Uganda betriebene Non for Profit Kolonyi Hospital hat in den letzten 3 Jahren einen unerwarteten Aufschwung genommen. Ausgelöst wurde die Entwicklung durch ein groß angelegtes Förderungsprogramm der Weltbank zusammen mit USAID und anderen Partnern unter andere für verschiedene Länder in Sub-Sahara Afrika.

Mit Voucher plus soll armen Frauen der Zugang zu einer qualifizierten geburthilflichen Versorgung in speziell dafür ausgewählten privaten Hospitälern im Norden und Osten Ugandas ermöglicht werden. Für umgerechnet 1 Euro können die Familien ein Voucher erwerben, der den Frauen, ohne Zusatzkosten d.h. angstfrei, den Zugang zu Schwangerschaftsvorsorge (4x), Geburtsbetreuung und Nachsorge mit Beratung (z.B. Familienplanung) ermöglicht. Das Programm ist überaus erfolgreich und - nach letztem Stand- haben in den ersten 2 Jahren mehr als 60.000 Frauen in den betroffenen Regionen von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Das Kolonyi Hospital wurde für das Subcounty Nakaloke (ca. 250.000 Bewohner) für das Voucher-programm ausgewählt und so sind seit 2017 die Geburtszahlen von vorher ca. 300 Geburten pro Jahr auf jetzt mehr als 1200 Geburten pro Jahr angestiegen.

Das Hospital wird für die erbrachten Leistungen, auf der Basis einer relativ aufwendigen Dokumentation, mit Fallpauschalen honoriert, die aber nicht in vollem Umfang die notwendigen Mehraufwendungen für Personal und Verbrauchsmaterial abdecken.

Ganz abgesehen davon, dass die vorhandenen Räumlichkeiten sowie die Ausstattung für den Kreissaal und die Nachbetreuung von Mutter und dem Neugeborenen auf der Station den aktuellen Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Eine erste Neuorganisation der Bettenzuordung und die Verlegung bzw Neuausweisung von Funktionsbereichen (Neonatologie) sind bereits erfolgt.

Bereits im letzten Jahr hatten wir über den baulich schlechten Zustand des Operationssaals berichtet. Eine Renovierung bei laufendem Betrieb ist sicher schwierig oder sogar unmöglich. Über die besten Lösungen und natürlich auch über eine realistische Finanzierung dieses aufwendigen Projekts wird derzeit vor Ort und bei den verschiedenen Partnern heftig diskutiert. Bei der apparativen Ausstattung des OPs konnten wir im letzten Jahr durch die Finanzierung eines neuen Anaesthesiegerätes einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Patientensicherheit leisten. Charles, der Chefanästhesist, bestätig uns, dass er nach nun mehr als 6 monatigem Einsatz sicher ist, für den Einsatz in Kolonyi die richtige Wahl getroffen zu haben. Das freut uns sehr.

Catherine Kageni, die Administratorin des Hospitals, hat derzeit alle Hände voll zu tun, die insgesamt sehr erfreuliche Entwicklung des Hospitals so zu steuern, dass das hohe Patientenaufkommen-vor allem in der Maternity – nicht die Möglichkeiten des Hospitals und seiner nach wie vor hochmotivierten Mitarbeiter überfordert und vermeidbare Fehler möglichst vermieden werden. Das gerade aufgebaute Vertrauen in das Hospital in der Bevölkerung und in eine qualifizierte Versorgung darf nicht gefährdet werden. In zahlreichen Gesprächen in diesen Tagen haben wir versucht die Situation zu analysieren und nach Lösungen zu suchen. Uns allen wird klar, dass es keine einfachen Lösungen geben wird. Catherine mit ihrem Team wird die Aufgabe übernehmen, in den nächsten Monaten die bisherigen Überlegungen und möglichen Lösungsansätze in einem Strategiepapier „Kolonyi Hospital 2020-2024“ zusammenzufassen und zur Diskussion zu stellen.

Über das Kinderhaus in SALEM haben wir an dieser Stelle schon wiederholt berichtet. Wir hören, dass im Moment die erneute Erteilung der erforderlichen staatlichen Lizenz zum Betreiben des Kinderhauses in Gefahr ist. Als Grund wird

angeführt, dass insgesamt 4 Langzeit-Bewohner der Einrichtung (2 junge Frauen und 2 junge Männer) das Alter von 18 Jahren zum Teil bereits deutlich überschritten haben und räumlich getrennt vom Kinderhaus untergebracht werden müssen. Die vier Betroffenen sind alle schwerstbehindert und können nicht in ein familiäres Umfeld vermittelt werden. Es erscheint auch kaum vertretbar, nach dieser langen Zeit ein neues Zuhause außerhalb von Salem als Lösung anzubieten. Seit längerem gibt es bereits einen Plan, eine Behinderteneinrichtung - St. Martin- auf dem Gelände von SALEM zu errichten. Peter Schmieg hat für eine solche Einrichtung bereits Pläne erstellt, die in diesen Tagen – in einer modifizierten Variante- nochmals intensiv diskutiert werden und die Zustimmung der Entscheidungsträger von Salem-Brotherhood finden. Mit der Errichtung einer ersten Wohneinheit, die zunächst direkt für die vier Erwachsenen erstellt werden soll, könnte auch die drohende Lizenzverweigerung für das Kinderhaus hinfällig werden. Eine Teilfinanzierung steht bereits und auch wir wollen mit unserem Verein dieses Projekt finanziell unterstützen, wobei und die adäquate Unterbringung der zwei jungen Frauen besonders am Herzen liegt.

Bereits seit einigen Jahren kennen wir Jeremiah Mbulamani. Er war für einige Zeit als u.a. als Sozialarbeiter in SALEM tätig, bevor er sich entschloss, mit seiner Familie in einem kleines, abgelegenes Dorf östlich von Mbale, nach Mutoto, umzuziehen, um dort ein eigenes soziales Projekt aufzubauen. Er hat es unter dem Motto „Mother-Heart Uganda“ Golden Hill Academy genannt.

Jeremeiah ist ein „moderner“ Ugander, der sich mit den sozialen Medien bestens auskennt. So werden wir bereits seit längerem von ihm mit diversen Posts über sein Projekt per Whatsapp informiert. Diesmal wollen wir Ihn besuchen, um uns ein eigenes Bild zu machen.

In Januar 2019 ist im Osten Ugandas ungewöhnlich viel Regen gefallen. Tägliche tropische Regenfalle, die teilweise auch mal 2 und mehr Stunden anhalten können.

Bei unserem Besuch in Mutoto ist genau so ein Tag. Wir fahren bei Sonnenschein mit dem Pickup ca. 30 Minuten auf der Strasse nach Tororo, dann geht es links ab auf eine „Gravel road“ für ca. 6 km. Wir erreichen noch bei Trockenheit eine kleine Siedlung und eine Weggabelung. Keiner von uns weiß, wo es weiter geht. Wir steigen aus und telefonieren. Der Pickup ist bereits auf dem Weg nach Tororo. Inzwischen regnet es wie aus Kübeln und wir finden eine Unterstand in der „Community Hall“ und warten mit einigen lokalen Farmern auf das Ende des Regens. Nach ca. 15 Minuten kommt Jeremiah bis auf die Haut durchnässt. Als der Regen aufhört, machen wir uns zu Fuß mit Ihm auf den Weg in sein kleines Dorf. Er erzählt uns glaubhaft, dass auf diesem größtenteils unbefestigten Weg in der Regenzeit kein Ambulanzfahrzeug und auch kein BodaBoda fahren kann. Nach circa 30 Minuten Fußweg bergan erreichen wir sein Haus. Wir werden von etwa 40 Frauen in einem noch provisorischen Unterstand begrüßt, die auf seinem Gelände Basiskenntnisse im Nähen von Kleidern und als Friseurinnen erwerben können.

Beides sind Maßnahmen, die eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit beziehungsweise Existenzsicherung für die Frauen herstellen sollen. Bis zu unserm Besuch wurden einfache Kleiderschnitte( Typ Aenne Burda) „probeweise“ aus Packpapier hergestellt, in Ermangelung einer Nähmaschine und von entsprechendem Nahtmaterial. Die Ergebnisse werden uns stolz präsentiert verbunden mit dem unmissverständlichen Wunsch, hier durch die Finanzierung von Nähmaschinen Abhilfe zu schaffen. Wir sagen spontan die Finanzierung von zunächst 2 Maschinen (von 42 gewünschten Maschinen !) zu, die dann in den folgenden Tagen auch umgehend auf dem Gebrauchtmarkt in Mbale beschafft wurden. Nach einem Rundgang im Dorf, bei dem wir auch die in Bau befindliche zweiklassige Primary School, sowie den möglichen Platz für ein Health Center gezeigt bekommen, haben wir noch etwas Zeit für einen köstlichen Lunch-Eintopf. Danach machen wir uns auf den Rückweg zu unserem Treffpunkt, voll mit neuen Eindrücken.

Wir sind uns einig, wir haben ein weiteres Projekt in Uganda gefunden, das uns vor allem dadurch überzeugt hat, dass hier ein tatkräftiger Mann es sich zur Aufgabe gemacht hat, ohne wenn und aber anzupacken, um mit einfachsten Mitteln die Lebensbedingungen der Menschenvor Ort zu verbessern. Beim Abschied versprechen wir wiederzukommen und auch in Zukunft mit unseren Möglichkeiten gezielt zu unterstützen. Das Strahlen im Gesicht von Jeremiah werden wir so schnell nicht vergessen.

Nach nur 6 intensiven Arbeitstagen hieß es wieder einmal Abschied zu nehmen von SALEM, von Denis, von Catherine, von Andrew und vielen anderen. Mit gefestigter Überzeugung gaben wir das Versprechen, wieder zu kommen und auch weiterhin zur Lösung der zahlreichen Probleme und vor allem zur stabilen Weiterentwicklung des Gesamtprojekts SALEM beizutragen.


Karlsruhe im Februar 2019

H.G. Meerpohl